Zehn Jahre Stille: Wie mein Mann seiner Schwiegermutter ein einziges Wort nicht verzeihen kann

Zehn Jahre Schweigen: Warum mein Mann meiner Schwiegermutter ein einziges Wort nicht verzeihen kann

Wir sind seit fünfzehn Jahren verheiratet. Unser Sohn wächst heran, wir haben ein gemütliches Haus im Speckgürtel von Berlin – alles scheint perfekt. Doch es gibt einen Riss, der mit jedem Jahr tiefer wird. Dieser Riss liegt zwischen meinem Mann Stefan und meiner Mutter.

Vor zehn Jahren gab es einen Streit. Eine hitzige Auseinandersetzung, verletzte Gefühle – ich weiß gar nicht mehr, worum es genau ging. Vielleicht hat meine Mutter etwas falsch formuliert, vielleicht hat er es zu persönlich genommen. Aber Stefan hat es nicht vergessen. Und vor allem: Er hat nicht verziehen. Zehn Jahre sind seitdem vergangen. Zehn Jahre eisiges Schweigen, bewusste Ignoranz, sture Gleichgültigkeit.

Und jetzt wird meine Mutter älter. Sie lebt allein in einer alten Plattenbauwohnung. Mein Vater ist vor drei Jahren gestorben, und seitdem fehlt ihr jede männliche Unterstützung. Die Elektrik in der Wohnung ist marode, die Waschmaschine seit Ewigkeiten kaputt, der Küchenboden sackt durch. Ich flehe Stefan an, wenigstens mal vorbeizufahren, um ein paar Kleinigkeiten zu reparieren. Doch er sagt nur mit steinerner Miene:
*”Wenn du willst, geh selbst. Ich setze keinen Fuß mehr in ihre Wohnung.”*

Man kann nicht sagen, dass er ein schlechter Mensch ist. Stefan ist ein toller Vater, ein fürsorglicher Ehemann, zuverlässig im Job. Aber wenn ihn jemand verletzt – selbst unabsichtlich – dann ist das für ihn ein Grund, diese Person aus seinem Leben zu streichen. Und je mehr Zeit vergeht, desto härter wird diese Mauer aus Groll. Ich verstehe nicht, wie er selbst angesichts von Alter und Krankheit keinen Schritt auf sie zugehen kann.

Meine Mutter beschwert sich nie, aber ich sehe, wie schwer es ihr fällt. Sie will nicht, dass ich zwischen zwei Stühlen sitze. Doch es wird immer deutlicher: Sie kommt allein nicht mehr zurecht. Mal ist der Blutdruck zu hoch, mal sticht das Herz. Medikamente sind teuer, Arzttermine muss man ewig warten. Ich organisiere Handwerker, schleppe Einkaufstaschen, bezähle die Rechnungen. Und die Angst in mir wächst: Was, wenn ihr morgen etwas passiert und wir nicht da sind?

Ich habe mit Stefan geredet. Hab ihn inständig gebeten, einfach menschlich zu sein. Ihm gesagt, dass unsere Zeit begrenzt ist und meine Mutter vielleicht nicht mehr lange hat. Er hört zu, nickt, und dann kommt doch immer derselbe Satz:
*”Versuch nicht, mich mit Tränen umzustimmen. Sie wusste, was sie tat.”*

Übrigens hat mich meine Schwiegermutter schon vor der Hochzeit gewarnt:
*”Stefan ist nicht leicht. Wenn er sich einmal ärgert, trägt er es lange nach. Sei darauf vorbereitet.”*
Damals habe ich nur abgewinkt:
*”Liebe überwindet alles.”*
Doch jetzt lebe ich seit zehn Jahren mit diesem Charakterzug. Liebe ist stark, aber eben nicht allmächtig.

Wegen dieser Art haben wir kaum Freunde. Mal hat er sich wegen einer Kleinigkeit zerstritten, mal fühlte er sich von jemandem ignoriert. Von der Verwandtschaft ist kaum noch jemand übrig. Die meisten haben sich längst zurückgezogen. Ich halte alles am Laufen, aber meine Kraft schwindet. Und dann ist da noch unser Sohn – ich habe Angst, dass er Stefan nachahmt. Dass er lernt, nicht zu vergeben, sondern alles in sich hineinzufressen. Ich will nicht, dass mein Kind mit einem kalten Herzen durchs Leben geht.

Bald muss ich Entscheidungen treffen. Meine Mutter kommt allein nicht mehr klar. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Aber meine Familie will ich auch nicht verlieren. Obwohl ich, ganz ehrlich, mich inzwischen oft weniger wie eine Ehefrau, sondern eher wie eine Dienstbotin fühle: rechtzeitig kochen, geduldig zuhören und bloß keine zusätzlichen Wünsche äußern. Dabei will ich eigentlich nur eines: ein bisschen Wärme meiner Mutter gegenüber.

Ich weiß nicht, wie es weitergeht. Vielleicht gibt Stefan eines Tages nach. Vielleicht auch nicht. Aber eines ist mir klar geworden: Liebe bedeutet nicht nur Geduld. Sie bedeutet auch Verständnis und Vergebung. Und wer nicht vergeben kann, der kann auch lieblos werden. Und damit komme ich, glaube ich, nicht mehr zurecht.

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