Eintrag aus meinem Tagebuch: **”Ein unerwartetes Geschenk des Schicksals”**
Gisela saß in der Küche und starrte aus dem Fenster. Das Morgenlicht überflutete die Straßen, doch in ihrer Seele herrschte Dunkelheit. Sie sehnte sich nach Kinderlachen, nach kleinen Händen, die sie umarmten, aber jeder Tag erinnerte sie an die Leere. Markus, ihr Mann, war an ihrer Seite, doch selbst sein Rückhalt konnte diese Lücke nicht füllen. Sie hatten die Diagnose akzeptiert, doch Giselas Herz weigerte sich, die Wahrheit anzunehmen. „Vielleicht ist Adoption unser Weg?“, dachte sie, als ein seltsames Klopfen an der Tür die morgendliche Stille durchbrach.
Gisela, schon bereit für die Arbeit, öffnete hastig. Vor der Tür stand ein Kinderwagen, darin ein winziges Mädchen, in eine weiche Decke gewickelt. Daneben lag ein Zettel, mit zitternder Hand gekritzelt: *„Markus, kümmere dich um unser Kleines. Tanja.“* Gisela erstarrte, die Worte brennten in ihr. Ihr Herz raste, und Fragen wirbelten durch ihren Kopf. Wer war Tanja? Warum Markus? Und wie kam dieser Kinderwagen vor ihre Tür?
Das Mädchen begann zu weinen, und Gisela, als handele sie instinktiv, nahm es in den Arm. Im Wagen fanden sich Windeln und ein Fläschchen mit Milch – alles, was ein Neugeborenes braucht. Sie beruhigte das Kind und griff zum Telefon. *„Markus, komm sofort nach Hause! Es ist ein Notfall!“*, ihre Stimme zitterte vor Angst und Hoffnung. Sie meldete sich von der Arbeit ab, ohne Details zu nennen, und wartete.
Als Markus die Wohnung betrat, weiteten sich seine Augen vor Schock. *„Woher kommt das Kind?!“*, rief er, während er das friedlich schlafende Mädchen im Wagen betrachtete. Gisela reichte ihm wortlos den Zettel. *„Du hast es getan, und der Storch hat es gebracht“*, spottete sie bitter und verbarg ihren Schmerz. Markus erbleichte. *„Ich kenne keine Tanja! Ich schwöre, das ist nicht meins!“*, seine Stimme bebte vor Empörung. *„Sollen wir einen Vaterschaftstest machen?“*, fragte er, doch seine Augen verrieten Unruhe.
Gisela musterte ihn, suchte nach der Wahrheit. *„Du bist Markus. Falls sie deine Tochter ist, werde ich sie annehmen, als wäre sie mein eigenes Blut. Aber sag die Wahrheit. Wir müssen das Jugendamt informieren.“* Ihre Stimme war fest, doch innerlich zerriss sie der Zweifel. Markus bestand darauf, dass das Kind nicht von ihm war, willigte aber in alle Formalitäten ein. Ein Mitarbeiter des Jugendamtes kam und ließ das Mädchen vorerst bei ihnen, während die Behörden nach der Mutter suchten. Gisela nannte das Kind Lotte – der Name kam wie von selbst, als hätte das Mädchen schon immer zu ihnen gehört.
Wochen vergingen. Die Suche nach der rätselhaften Tanja blieb erfolglos, und das Jugendamt bestand auf einem DNA-Test. Das Ergebnis war schockierend: Markus war nicht der Vater. Gisela und Markus saßen schweigend in der Küche und sahen sich an. *„Was jetzt?“*, flüsterte sie. Lotte war mehr als ein Findelkind – sie war ihre Hoffnung geworden. Doch was, wenn man sie ihnen wegnehmen würde? Der Gedanke war unerträglich.
Da klopfte es erneut an der Tür. Eine blasse, unsichere junge Frau stand dort. *„Hallo, ich bin Tanja“*, murmelte sie. Gisela und Markus tauschten Blicke. *„Komm herein, erzähl.“*, sagte Gisela und rang um Fassung. Die junge Frau zupfte nervös an ihrem Ärmel. Ihre Geschichte war wie aus einem Melodram: Eine Studentin, verliebt in einen Mann namens Markus, wurde schwanger. Als sie es ihm erzählte, verschwand er. Ihre Eltern wollten sie und das Kind nicht aufnehmen, und in ihrer Verzweiflung beschloss sie, das Baby zum Vater zu bringen – doch sie vertauschte die Adresse.
*„Ich wollte nicht, dass meine Tochter im Heim aufwächst.“* Tanjas Stimme brach, Tränen glänzten in ihren Augen. Gisela spürte, wie ihr Herz sich zusammenzog. Hier stand keine Fremde, sondern eine Mutter, die trotz ihrer Fehler das Beste für ihr Kind wollte. Markus schwieg noch immer, fassungslos.
*„Tanja, wir möchten Lotte adoptieren“*, sagte Gisela plötzlich, überrascht von ihrer eigenen Entschlossenheit. *„Aber wir brauchen deine Hilfe.“* Tanja blickte auf, Hoffnung in ihren Augen. *„Was soll ich tun?“* Gisela erklärte es: Sie brauchten eine DNA-Probe des echten Markus, um den Vaterschaftstest zu fälschen. Ein Risiko, aber die einzige Chance, Lotte bei sich zu behalten.
*„Ich habe noch seinen Kamm“*, flüsterte Tanja mit einem Funken Entschlossenheit. Sie organisierten einen zweiten Test, manipulierten die Probe. Das Ergebnis zeigte eine hundertprozentige Übereinstimmung. Tanja verzichtete offiziell auf ihre Rechte, und Lotte wurde Gisela und Markus übergeben. Nun war sie ihre Tochter – nicht durch Blut, doch durch Liebe.
Tanja verschwand nicht aus ihrem Leben. Sie kam zu Besuch, beobachtete schüchtern, wie Lotte heranwuchs. Gisela sah in ihren Augen eine Mischung aus Schmerz und Erleichterung. *„Du hast uns eine Familie geschenkt“*, sagte sie eines Tages zu Tanja, während sie Lotte im Arm hielt. Tanja lächelte, doch ihre Lippen zitterten. Sie wusste, es war die richtige Entscheidung – doch das Herz einer Mutter vergisst nie.
Gisela und Markus betrachteten die schlafende Lotte, und Wärme erfüllte ihre Herzen. Sie hatten nicht nur eine Tochter gefunden – sie hatten einen Sinn gefunden. Und dieser zufällige Zettel vor ihrer Tür war ihr Leitstern geworden, der den Weg zu einem neuen Anfang erleuchtete.
**Was ich daraus gelernt habe:** Manchmal kommt das Glück auf Umwegen – und die größten Geschenke sind jene, die wir nicht erwartet haben.