**Tagebucheintrag**
Nie hätte ich gedacht, dass mein eigenes Zuhause, meine Ruheoase im beschaulichen Städtchen Bamberg, zum Schlachtfeld werden würde. Mein Sohn, Markus, war schon immer eigenwillig, aber dass er und seine Frau mir vorschreiben wollen, wie ich in meinem eigenen Haus zu leben habe – damit habe ich nicht gerechnet. Alles begann, als Markus mit zwanzig verkündete, er wolle Johanna heiraten. Ich flehte ihn an, zu warten, sich Zeit zum Erwachsenwerden zu lassen, doch er war taub für meine Worte, wie besessen. Liebe dulde keinen Aufschub, behauptete er. Ich gab nach, obwohl mein Herz vor Sorge zusammenzog.
Als Hochzeitsgeschenk überließ ich ihnen die Wohnung, die ich von meinem Onkel geerbt hatte. Alt, renovierungsbedürftig, aber war das nicht ein Luxus für den Start ins Eheleben? Viele in ihrem Alter träumen von so einem Anfang. Doch sie lebten nur kurz dort und verkauften sie, um in ein Neubauprojekt in einem modernen Viertel Bambergs zu investieren. Ich schwieg, obwohl ich es für einen Fehler hielt. Johannas Eltern, statt Dankbarkeit für mein Geschenk zu zeigen, deuteten an, ich solle zusätzlich Geld für ihre neue Wohnung beisteuern. Ihre Dreistigkeit erschütterte mich. Habe ich ihren Kindern nicht ein Dach über dem Kopf gegeben? Doch ich biss die Zähne zusammen, um Streit zu vermeiden.
Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Johanna verlor ihren Job und fand keinen neuen. Die neue Wohnung war noch nicht fertig, das Geld fast aufgebraucht. Da kamen sie mit der Bitte: „Mama, können wir bei dir wohnen?“ Ich bin nicht der Typ, der leicht mit anderen zusammenlebt. Johanna ist auch kein Zuckerbrot – stur und schroff. Ich wusste, das Zusammenleben würde eine Zerreißprobe, doch meinem Sohn konnte ich nicht abschlagen. Sie sind meine Familie, egal wie schwer es wäre.
Gleich am ersten Tag setzte ich klare Grenzen. „Mein Haus, meine Regeln“, sagte ich. „Kein Lärm nach zehn Uhr abends. Punkt.“ Markus und Johanna nickten, und ich glaubte, wir würden uns arrangieren. Der erste Monat verlief ruhig, fast harmonisch. Ich war geduldig, passte mich ihrem Rhythmus an, obwohl mich ihre Gewohnheiten – herumliegende Sachen, späte Gespräche – innerlich kochten. Doch dann änderte sich alles.
Johanna benahm sich plötzlich, als wäre sie die Herrin des Hauses. „Mama, mach das Radio aus, es stört!“, warf sie hin, ohne mich anzusehen. Oder: „Der Fernseher lief nachts, weil wir nicht schlafen konnten.“ Sie störten sich daran, dass ich samstags putzte – sie wollten ja bis mittags schlafen. Meine Freundinnen, die zum Kaffee vorbeikamen, waren ihnen ein Dorn im Auge. Eines Tages platzte Markus der Kragen: „Mama, merkst du nicht, wie deine blöden Regeln uns unglücklich machen?“ Mein Blut gefror in meinen Adern. Meine Regeln? Blöd? Das ist mein Haus, mein Leben, meine Ordnung!
„Das sind keine blöden Regeln“, antwortete ich und rang um Fassung. „Das ist meine Art zu leben. Ihr seid hier Gäste und müsst mein Zuhause respektieren.“ Markus wurde rot: „Verstanden. Du willst uns einfach rauswerfen!“ Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Ich wollte sie nicht rauswerfen – nur meinen Frieden bewahren. Doch er packte schon seine Sachen, und Johanna knallte demonstrativ die Schranktüren zu. Sie zogen zu ihren Eltern und ließen mich in bedrückender Stille zurück.
Ich fühle keine Schuld. Ich gab ihnen alles – die Wohnung, Unterstützung, ein Dach über dem Kopf. Doch sie meinten, sie könnten mir vorschreiben, wie ich in meinem eigenen Haus zu leben habe. In Bamberg, wo jeder Winkel von meinen Erinnerungen lebt, wollte ich nur eines: Ruhe. Jetzt, da sie weg sind, kann ich wieder atmen. Mein Haus ist meine Burg, und ich lasse mir dieses Recht von niemandem nehmen, nicht einmal von meinem Sohn.
Doch mein Herz schmerzt trotzdem. Ich erinnere mich an Markus als kleines Kind, wie er lachend durch genau dieses Haus rannte. Ich wollte das Beste für ihn, doch nicht, dass es sich gegen mich wenden würde. Vielleicht hat Johanna ihn beeinflusst, oder es ist sein eigener Groll – ich weiß es nicht. Manchmal frage ich mich, ob ich zu streng war. Doch dann denke ich an ihre schroffen Worte, seine Vorwürfe, und weiß: Ich konnte nicht anders. Mein Zuhause ist nicht nur aus Stein – es ist mein Leben, meine Grenzen, meine Seele.
Die Nachbarn in Bamberg tuscheln bereits über unseren Streit. Manche haben Mitleid, manche verurteilen mich. Doch mir ist es egal. Ich will nicht Gefangene fremder Erwartungen sein. Markus und Johanna werden ihren Weg finden, und ich bleibe hier, in meinem Haus, wo jeder Winkel meine Geschichte trägt. Vielleicht versöhnen wir uns irgendwann, doch jetzt weiß ich eines: Ich lasse mir meinen Frieden nicht nehmen.