Jedes Mal, wenn mein Schwiegersohn nach Hause kommt, bleibt mir nur die Flucht oder das Versteckspiel.

Heute war es wieder so weit. Sobald mein Schwiegersohn von der Arbeit zurückkommt, muss ich fluchtartig das Haus verlassen oder mich im Schrank verstecken.

Ich verstehe meinen Schwiegersohn, Tobias, einfach nicht. Er verbietet mir strikt, zu ihnen nach Hause zu kommen und mich um meinen Enkel zu kümmern. Tobias ist ein wunderbarer Ehemann – er liebt meine Tochter, Lina, aufrichtig, verdient gut und ist das Oberhaupt der Familie. Er vergöttert seinen Sohn, doch durch seinen arbeitsreichen Alltag sieht er ihn meist nur schlafend oder am Wochenende. Dennoch ist er fest davon überzeugt, dass allein seine Frau für die Erziehung zuständig ist und niemand ihr helfen darf.

Meine Tochter ist am Ende ihrer Kräfte. Ihr dreijähriger Sohn, Finn, ist unermüdlich aktiv – man muss ihn ständig im Auge behalten. Heimlich komme ich vorbei, solange Tobias arbeitet. Doch wenn er unerwartet früher nach Hause kommt, muss ich blitzschnell verschwinden, sonst gibt es Krach.

Tobias ist überzeugt, dass allein die Eltern für das Kind verantwortlich sind. Er selbst wurde von seiner Oma großgezogen, weil seine Mutter ständig mit verschiedenen Männern unterwegs war. Er wuchs in einer düsteren Atmosphäre auf, was ihn zweifellos geprägt hat. Deshalb ist er so unnachgiebig. Er hat sogar gedroht, sich scheiden zu lassen, falls ich weiterhin helfe. Er verdient das Geld, hält die Familie über Wasser und versteht nicht: Wenn Lina zu Hause bleibt, warum schafft sie es dann nicht?

Doch jeder, der Kinder erzogen hat, weiß, wie erschöpfen das ist! Ich mische mich nicht ein – ich spiele nur mit Finn, gehe mit ihm spazieren, gebe meiner Tochter etwas Luft. Ich bin ratlos. Tobias ist ein fürsorglicher Vater, und ich will ihre Ehe nicht zerstören. Aber ich möchte so gern bei meinem Enkel sein! Obwohl er beteuert, mich zu respektieren, bleibt er hart: Ich darf nicht auf seinen Sohn aufpassen, das wäre falsch.

Ich wohne in einem kleinen Ort bei Nürnberg, und meine Tochter lebt nicht weit entfernt. Finn ist mein einziger Enkel, und jede Minute mit ihm ist kostbar. Doch meine Besuche gleichen einer Geheimmission. Ich rufe Lina an, um sicherzugehen, dass Tobias nicht da ist. Manchmal kommt er trotzdem überraschend – weil er Dokumente vergessen hat oder zu Hause essen möchte. Dann fühle ich mich wie eine Kriminelle: Mein Herz rast, ich schnappe mir meine Jacke und flüchte durch den Hinterausgang, nur um seinen Zorn zu vermeiden.

Einmal habe ich es nicht geschafft. Tobias kam herein, sah mich mit Finn im Arm und wurde kreidebleich. Er schrie nicht, aber sein eisiger Blick war schlimmer als jeder Streit. *„Ich habe Sie doch gebeten, sich nicht einzumischen, Frau Schneider“*, sagte er leise, aber so scharf, dass mir eiskalt den Rücken hinunterlief. Lina versuchte, ihn zu beruhigen, doch er winkte nur ab und ging in ein anderes Zimmer. Seitdem bin ich noch vorsichtiger, doch jedes Mal, wenn ich seinen Schlüssel im Schloss höre, stockt mir der Atem.

Ich habe mehrfach versucht, mit Tobias zu reden, ihm zu erklären, dass ich Lina nicht ersetzen will. Ich möchte einfach Teil von Finns Leben sein, ihn aufwachsen sehen, sein Lachen hören. Doch Tobias bleibt stur. Für ihn ist jede Hilfe von mir ein Zeichen, dass Lina versagt – und das empfindet er als persönliche Kränkung.

Lina, die Arme, ist hin- und hergerissen. Sie fleht mich an, mich nicht mit Tobias anzulegen, doch ich sehe, wie schwer es ihr fällt. Finn ist ein Wirbelwind: Er tobt durch die Wohnung, wirft Spielzeug herum, und wenn man ihn nur eine Minute aus den Augen lässt, passiert etwas. Ich kann meine Tochter nicht allein lassen, doch jedes Mal riskiere ich Streit.

Manchmal überlege ich: Soll ich gar nicht mehr kommen? Doch wenn Finn mir entgegenläuft oder wir gemeinsam Türme aus Bauklötzen bauen, kann ich nicht widerstehen. Ich fühle mich schuldig – meiner Tochter gegenüber, aber noch mehr meinem Enkel. Warum muss ich mich wie eine Diebin verhalten, nur um Zeit mit ihm zu verbringen?

Tobias ist kein Ungeheuer. Er tut alles für die Familie: Er arbeitet pausenlos, verdient gut, verwöhnt Lina und Finn. Doch sein Starrsinn zerbricht mir das Herz. Er sagt, er respektiert mich, doch seine Worte sind hohl, wenn er mir verbietet, Oma zu sein.

Neulich gestand mir Lina, dass sie Angst hat, meinen Namen in Tobias’ Gegenwart zu erwähnen. Er baut eine Mauer zwischen uns. Ich weiß nicht, wie lange das noch geht. Manchmal scheint es, als warte er darauf, dass ich aufgeben und nicht mehr kommen. Doch ich kann meinen Enkel nicht im Stich lassen.

Ich will ihre Familie nicht zerstören, aber auf Finn verzichten kann ich auch nicht. Jedes Mal, wenn ich mich heimlich aus dem Haus schleiche oder – noch schlimmer – mich im Schrank verstecke, fühle ich mich gedemütigt. Doch für meinen Enkel ertrage ich es. Die Frage ist nur: Wie lange noch?

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