Ich warf seine Sachen vom Balkon im achten Stock. Es war ein unvergesslicher Anblick. Sogar die Nachbarn waren begeistert.
Die Erkenntnis kam plötzlich, wie ein Blitzschlag: In dieser Welt interessiert sich niemand für uns. Niemand – außer Müttern und ihren Kindern. Obwohl auch das nicht immer stimmt – das Leben wirft manchmal alles durcheinander. Ich war nie eine von denen, die im Glück baden. Ständig allein, jagte ich einem trügerischen Traum hinterher – einer Wohnung, einem Auto, Stabilität. Ich arbeitete mich ab, nahm mehrere Nebenjobs an, sparte jeden Cent. Am Ende hatte ich es geschafft: Ich kaufte eine Wohnung in dem beschaulichen Städtchen Wittenberg und später ein Auto. Doch das Glück? Es blieb irgendwo am Horizont.
Alles änderte sich, als Markus in mein Leben trat. Jung, charmant, fing er an, mir den Hof zu machen. Ich willigte ein, ihn zu heiraten, obwohl ich ihn nicht liebte. Es war einfach… bequem. Ich war vier Jahre älter als er, doch niemand bemerkte es. Wir lebten in meiner Wohnung – er kam vom Land und hatte nichts Eigenes in der Stadt. Lange Zeit blieben uns Kinder versagt. Ich hatte mich damit abgefunden, doch dann kam unsere Tochter, Lieselotte, zur Welt. Und dann ging alles schief.
Der erste Streit entbrannte wie ein Strohfeuer. Markus begann mir Vorwürfe zu machen: Es sei so anstrengend für ihn. Lieselotte weine, ich sei ständig schlecht gelaunt, während er sich auf der Arbeit krumm schinde und völlig erschöpft nach Hause komme. Seine Worte brannten, doch ich ertrug sie. Dann wurden aus Vorwürfen Drohungen: „Ich gehe, wenn das so weitergeht.“ Ich schwieg, presste die Zähne zusammen, doch innerlich brodelte alles. Eines Tages packte er seine Sachen und verkündete, er verlasse mich. Ich sah ihm in die Augen und sagte kalt: „Geh. Und wage es nicht, mit Entschuldigungen wiederzukommen.“ Er erstarrte, als hätte er das nicht erwartet. Und blieb.
Einen Monat lang benahm er sich, doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Bald kamen die Drohungen zurück, und ich spürte, wie meine Geduld wie ein dünner Faden riss. An jenem Abend, als er wieder vom Gehen anfing, hielt ich nicht mehr still. Während er in der Badewanne lag, packte ich schweigend all seine Sachen zusammen – Kleidung, Schuhe, sogar seine lächerlichen Kopfhörer – und warf sie in Säcke vor der Tür. Als er herauskam, erstarrte sein Gesicht vor Schock. „Was machst du da?“, brüllte er, doch ich hörte nicht mehr hin. „Überleg dir, was du getan hast“, warf er mir noch zu und knallte die Tür zu.
Doch ich blieb nicht stehen. Ich griff die Säcke und schleppte sie auf den Balkon. Wir wohnten im achten Stock, und ohne nachzudenken, begann ich, seine Sachen hinunterzuwerfen. Jacken, Jeans, Stiefel – alles segelte auf den Asphalt, während ich spürte, wie der Zorn von einem seltsamen Gefühl der Erleichterung abgelöst wurde. Die Nachbarn strömten auf die Straße, einige filmten mit ihren Handys, andere klatschten, manche starrten nur mit offenen Mündern. Es war ein Schauspiel – wie im Film, wenn die Heldin endlich ihre Ketten sprengt. Es war mir egal, was sie dachten. Ich hatte Markus nie geliebt – ich hatte ihn einfach ertragen, solange ich konnte. Er lebte in meiner Wohnung, nutzte mein Geld, meine Gemütlichkeit, und jetzt sollte er sein Glück woanders suchen.
In diesem Moment wusste ich, dass ich richtig gehandelt hatte. Ich hatte ein Zuhause, eine Tochter, für die ich lebte. Lieselotte – mein Sinn, meine Freude, mein Licht. Markus hingegen… er war nur ein Schatten in meinem Leben, ein vorübergehender Gast, der zu lange geblieben war. Ich fühlte keine Schuld – nur Freiheit. Die Nachbarn tuschelten noch lange über meinen „Auftritt“, doch ihre Klatschgeschichten waren mir egal. Wittenberg ist eine kleine Stadt, wo sich Neuigkeiten wie ein Lauffeuer verbreiten. Aber ich wusste, ich hatte gehandelt, wie es mir mein Herz gebot.
Am nächsten Tag kam Markus zurück, um den Rest seiner Sachen zu holen. Er sah erbärmlich aus – verloren, mit erloschenem Blick. Er versuchte, etwas zu erklären, doch ich fiel ihm ins Wort: „Du hast deine Entscheidung getroffen, als du mich bedroht hast. Jetzt lebe damit.“ Schweigend packte er die letzten Dinge und ging. Ich schloss die Tür und atmete zum ersten Mal seit langem tief durch.
Das Leben danach wurde nicht leichter, aber es wurde ehrlicher. Ich arbeitete weiter, erzog Lieselotte, baute unsere Zukunft auf. Manchmal dachte ich, Einsamkeit sei kein Fluch, sondern ein Geschenk. Sie lehrte mich, mich selbst zu schätzen, meine Kraft, mein Zuhause. Lieselotte wächst heran, und ich will, dass sie in mir nicht nur die Mutter sieht, sondern eine Frau, die weiß, was sie wert ist. Möge diese Geschichte vom Balkon für sie eine Lehre sein: Niemand hat das Recht, dich gefangen zu halten, selbst wenn du das Dach mit ihm teilst.
Die Nachbarn erinnern sich noch immer an diesen Abend, und ich hörte, wie manche mich „die Frau aus dem achten Stock“ nannten. Sollen sie reden. Ich weiß, dass diese Tat meine Befreiung war. Ich habe eine Wohnung, ein Auto, eine Tochter und vor allem – meinen Stolz. Und Markus? Soll er seinen Platz in dieser Welt suchen. Ohne mich.