**Tagebucheintrag**
Ich hätte nie gedacht, dass ich den Tag erleben würde, an dem in meinem eigenen Zuhause, in meiner gemütlichen Wohnung im beschaulichen Städtchen Freiburg, kein Platz mehr für mich wäre. Meine Tochter, Greta, die ich mit so viel Liebe großgezogen hatte, warf mir Worte ins Gesicht, die mein Herz zu einem Klumpen zusammenziehen ließen: „Papa, nimm es mir nicht übel, aber denk an die Enkel. Gib uns deine Wohnung.“ Ihre Stimme war kalt wie der Winterwind, und ihre Augen blickten mit einer Entschlossenheit, die mir meine kleine Mädchen kaum mehr erkennen ließ.
„Zieht doch zu Olegs Mutter, die hat eine Dreizimmerwohnung“, antwortete ich und versuchte, ruhig zu bleiben. Doch Greta schnaubte nur: „Du weißt genau, dass wir uns nicht verstehen!“ – und schlug die Tür hinter sich zu, als wäre die Wohnung bereits ihr Eigentum. Ich stand da, wie vor den Kopf geschlagen, unfähig zu begreifen, dass meine Tochter, die ich mit so viel Hingabe erzogen hatte, so handeln konnte. Irgendwo tief in mir spürte ich, dass ich in ihrer Erziehung etwas Wichtiges versäumt hatte, doch ich wollte es nicht wahrhaben.
Dann geschah das, was mich endgültig zerbrach. Meine achtjährige Enkelin, Lina, sah mich mit ihren großen Augen an und sagte: „Opa, liebst du uns nicht? Warum bist du so geizig?“ Diese Worte trafen mich wie ein Messer ins Herz. Ich konnte nicht mehr. „Gut, Greta“, presste ich hervor, während meine Stimme zitterte. „Nimm die Wohnung. Aber du musst meinen Hund, Max, bei dir aufnehmen.“ Sie nickte, und ich, ihrem Versprechen vertrauend, stimmte zu.
Zwei Tage später brachte man mich ins Altersheim. Ein winziges, feuchtes Zimmer mit abblätternden Wänden wurde mein neues „Zuhause“. Ich saß auf dem knarrenden Bett, starrte ins Leere und versuchte zu verstehen, wie mein Leben so weit gekommen war. „Hallo, ich bin Helga“, setzte sich eine ältere Frau mit müder, aber freundlicher Stimme neben mich. „Mach dir nichts draus, am Anfang ist es schwer, aber man gewöhnt sich.“ Ich fragte: „Haben deine Kinder dich auch hierhergebracht?“ Sie schüttelte den Kopf: „Nein, ich habe keine Kinder. Mein Neffe. Er hat meine Wohnung übernommen und mich hier abgeliefert.“ Ihre Worte hallten in mir nach – ich war nicht allein in meinem Schmerz.
Jedes Wochenende wartete ich auf Greta, Oleg, die Enkel. Vergeblich. Sie kamen nie, riefen nie an. Mein Max, mein treuer Freund, blieb zurück in einer Welt, die ich verloren hatte. Doch eines Tages stand mein alter Nachbar, Thomas, plötzlich im Altersheim. „Da bist du ja, Karl!“, rief er, als er mich sah. „Ich wusste, du wärst nicht einfach aufs Land gezogen. Du hättest Max niemals im Stich gelassen!“ Ich erstarrte. „Und Max?“, fragte ich, während mein Herz schneller schlug. „Der ist bei mir, keine Sorge. Gesund und munter“, antwortete Thomas, und in seinen Augen blitzte etwas auf. Er war Anwalt, und ich wusste, dass er nicht umsonst redete. „Erzähl mir alles von Anfang an“, forderte er. Ich berichtete ihm die ganze Geschichte – von Greta, ihrer Forderung, wie ich hier gelandet war. Thomas hörte zu, nickte und sagte: „Pack deine Sachen. Du wirst bei uns wohnen, und ich kümmere mich um die Papiere.“
Thomas wurde mein Retter. Wir holten meine Wohnung zurück und setzten Greta und ihre Familie vor die Tür. Es war schwer, meine Tochter schreien und mich der Herzlosigkeit beschuldigen zu hören, doch ich konnte den Verrat nicht verzeihen. Die Wohnung verkauften wir. Ich gab Greta ihren Anteil – ich wollte nicht, dass sie mit nichts dasteht – und kaufte mir für meinen Teil ein kleines, aber gemütliches Häuschen in einem Dorf nahe Freiburg. Dort war es ruhig, grün, und Max tobte glücklich durch den Garten.
„Thomas, ich habe noch eine Bitte“, sagte ich, als wir bei einer Tasse Tee in meinem neuen Zuhause saßen.