Meine Mutter regt sich auf: Meine Schwester zählt jeden Cent, während ich ein Vermögen für den privaten Kindergarten ausgebe
Nie hätte ich gedacht, dass Gespräche mit meiner Mutter zur Qual werden würden. Jedesmal geht es um dasselbe: Wie schwer es meine jüngere Schwester Johanna hat und wie ich ihr doch helfen müsse. Als hätte Mutter vergessen, dass ich mein eigenes Leben, eigene Sorgen und ein Kind habe, für das ich alles tun würde. Doch ihre vorwurfsvollen Worte treffen mich jedes Mal wie ein Schlag.
Mutter ist überzeugt: Würde ich nicht so viel Geld für den privaten Kindergarten meines Sohnes ausgeben, könnte ich Johanna retten. Meine Schwester wurde von klein auf verwöhnt – alles wurde ihr in den Schoß gelegt, sie durfte alles, und sie war immer das Vorbild. Ich dagegen musste mir alles erkämpfen. In der Schule lernte ich bis Mitternacht, im Job während des Studiums schuftete ich nachts, um es mir leisten zu können. Mutter bewunderte stets Johannas „Leichtigkeit“, während sie meine hart erkämpften Erfolge kleinredete.
Johanna hat nie geschätzt, was sie hatte. Alles nahm sie als selbstverständlich hin. Ergebnis: kein Abschluss, keine Karriere. Mit neunzehn wurde sie schwanger, heiratete ihren faulen Kommilitonen, der kaum Geld nach Hause bringt. Ein Kind folgte dem anderen – mit sechsundzwanzig hat sie zwei Kinder, einen untätigen Ehemann und ist völlig von Mutters Hilfe abhängig. Ich dagegen, die immer auf sich selbst zählte, leite heute eine Abteilung in einem großen Unternehmen. Mein Mann, Stefan, ist ebenfalls erfolgreich, und gemeinsam haben wir uns ein gutes Leben aufgebaut.
Vor vier Jahren kam unser Sohn Finn zur Welt. Da wir gut verdienen, müssen wir bei seiner Zukunft nicht sparen. Der private Kindergarten ist keine Laune, sondern eine Notwendigkeit: Im städtischen Kindergarten war er ständig krank, und eine Tagesmutter wäre noch teurer geworden. In der kleinen Gruppe mit erfahrenen Erzieherinnen blüht er auf. Für Mutter jedoch ist das ein rotes Tuch.
„Hast du den Verstand verloren, so viel Geld für den Kindergarten auszugeben?“, schimpfte sie am Telefon. „Wenn du es dir leisten kannst, hilf doch Johanna! Sie kommt kaum über die Runden!“ Ihre Stimme zitterte vor Empörung, doch ich spürte: Es ging nicht um Johannas Wohl, sondern darum, mich zu manipulieren.
Ich versuchte zu erklären, dass der private Kindergarten keine Luxusentscheidung war. Finn fing sich im städtischen Kindergarten jede Woche etwas ein, und ich konnte nicht gleichzeitig arbeiten und kranke Kinder betreuen. Mutter half Johanna stattdessen – mal mit den Kindern, mal mit Geld. Ihr Argument war immer dasselbe: „Johanna ist in Not, und du lebst in Saus und Braus.“ Das war ungerecht und schmerzte.
Eines Tages überschritt Mutter jede Grenze. Unangekündigt stand sie vor unserer Tür in Freiburg, mit flammenden Augen und einer Liste von Forderungen. „Du musst Johanna helfen, ihre Schulden zu bezahlen!“, fuhr sie mich an. „Ihre Kinder hungern, und du schickst deinen Sohn in einen Luxus-Kindergarten!“ Mir kochte das Blut. Wie lange sollte ich das noch ertragen? Tief atmend erwiderte ich: „Mutter, ich schulde niemandem etwas. Johanna hat ihr Leben gewählt, und ich bin nicht verantwortlich dafür.“
Sie erstarrte, ihr Gesicht rot vor Wut. Sie schrie, ich sei herzlos und egoistisch. Doch ich schwieg nicht länger. „Wer half mir, als ich nachts arbeitete, um mein Studium zu finanzieren?“, fragte ich. „Wer stand mir zur Seite, als ich meine Karriere aufbaute? Niemand. Ich habe alles allein geschafft – und jetzt will ich das Beste für meinen Sohn. Das ist mein Recht.“
Danach herrschte Schweigen. Ich wusste, sie war verletzt, aber spürte auch Erleichterung. Zum ersten Mal hatte ich meine Grenzen verteidigt. Stefan bestärkte mich: Unsere Familie – wir und Finn – stehe an erster Stelle.
Eine Woche später rief Mutter an. Leise, fast schuldbewusst, entschuldigte sie sich – doch dann erwähnte sie wieder Johannas Not. Ich hörte zu, blieb aber fest: „Ich kann nicht Johannas Bank sein. Wenn sie ihr Leben ändern will, soll sie lernen, arbeiten, selbst etwas tun.“ Mutter seufzte, widersprach aber nicht.
Dieser Konflikt war ein Wendepunkt. Ich muss mich nicht rechtfertigen. Vor Kurzem nahmen wir eine Hypothek für eine neue Wohnung in Freiburg auf – eine Investition in unsere Zukunft. Mag Mutter meinen, ich „verprasse“ Geld – ich weiß, es ist für Finns Glück.
Wenn ich ihn nun in den Kindergarten bringe, läuft er lachend zu den Erzieherinnen. Er ist gesund, glücklich und umsorgt. Johanna? Ich wünsche ihr von Herzen, ihren Weg zu finden – aber nicht auf meine Kosten. Meine Mutter wird meine Entscheidungen vielleicht nie verstehen, doch ich lasse nicht mehr zu, dass sie mich verunsichert. Das Leben in Freiburg geht seinen Gang – und ich habe alles getan, damit meine Familie glücklich ist.
Am Ende lernte ich: Man muss nicht jedem gerecht werden – nur sich selbst und denen, die wirklich zu einem gehören.