Brigitte hantierte den ganzen Tag in der Küche herum. Der Tisch war bereits gedeckt: kalte Vorspeisen warteten im Kühlschrank, das Hauptgericht brutzelte im Ofen. Heute war ein besonderer Abend – ihr Sohn Felix brachte seine Auserwählte mit, um sie den Eltern vorzustellen. Brigitte arbeitete mit besonderer Hingabe – denn dieses Treffen war vielleicht kein Zufall. Vielleicht war es Schicksal…
Die Türklingel ertönte. Felix stand in der Tür – erwachsen, selbstbewusst, und neben ihm ein Mädchen.
„Mama, Papa, das ist Greta, meine Gretel!“ Er schlang seinen Arm um sie, während sie ein reserviertes Lächeln zeigte.
„Ganz meine Ehre, Brigitte“, flüsterte Greta.
Klaus schüttelte ihr die Hand und bat alle zu Tisch. Felix grinste verschmitzt:
„Ihr kennt sie doch noch! Das ist die Greta… aus dem Kindergarten.“
Brigitte und Klaus erstarrten. Dieselbe?
Vor vielen Jahren hatte alles mit einem verschwundenen Ring angefangen. Brigitte durchschnüffelte ihre Schmuckschatulle, in der neben ein paar Ohrringen und Ketten auch Knöpfe, Münzen und Perlen lagen. Doch ihr Lieblingsring – ein zartes Blümchen mit einem kleinen Stein – fehlte. Sie fragte ihren Mann:
„Klaus, hast du an meiner Schatulle rumgefummelt?“
„Wozu sollte ich dein Klimbim brauchen?“
Da kam Felix, sechs Jahre alt, und hielt seine Hand auf:
„Mama, suchst du das?“
In seiner Hand lag genau der Ring.
„Schatz, wo hast du den her?“
„Ich… ich wollte ihn für ein Mädchen aus dem Kindergarten. Sie heißt Greta. Ich will sie mal heiraten, wenn ich groß bin.“
Brigitte erinnerte sich, wie ihr Herz damals zusammenzuckte. Sie nahm ihren Sohn in den Arm und erklärte ihm sanft, dass man den Ring nicht verschenken durfte – er war ein Geschenk von Papa. Zusammen kauften sie einen kleinen Stoffteddy als Schlüsselanhänger und brachten ihn Greta.
Doch am Abend war Felix niedergeschlagen.
„Greta spielt jetzt mit Dominik. Er hat ihr einen Ring gegeben. Und meinen Anhänger hat sie hinter den Schrank geworfen.“
Er weinte bitterlich, und in diesem Moment spürte Brigitte zum ersten Mal die Wucht von Felix’ erster Liebe.
Jahre vergingen. Greta verschwand aus Felix’ Leben – verschiedene Schulen, ein Umzug. Alles verblasste wie ein Traum. Und jetzt – da war sie wieder. Ein erwachsenes, schönes, fast zu selbstsicheres Mädchen.
Brigitte beobachtete Greta genau. Hübsch – das stand außer Frage. Doch in ihr keimte Unbehagen. Gretas Blick war kühl, berechnend, fast als taxierte sie die Umgebung: Möbel, Geschirr, den Teppich an der Wand.
Felix war im dritten Semester und jobbte auf der Baustelle seines Vaters. Bisher kam er gut zurecht – bis Greta auftauchte. Plötzlich nahm er einen Zweitjob an, wirkte erschöpft, gereizt. Und einmal, als Brigitte an seinem Zimmer vorbeiging, hörte sie unfreiwillig ein Gespräch:
„Wie stellst du dir das vor? Sollen meine Eltern die Wohnung verkaufen, nur damit du ein Auto kriegst? Ich bin nicht reich… Ja, du verdienst was Besseres… Aber ich kann dir das jetzt nicht geben.“
Ein Sekunde später – das Geräusch von zerbrechendem Glas. Brigitte huschte erschrocken in die Küche. Zum ersten Mal erkannte sie klar: Greta liebte nicht Felix, sondern Komfort.
Beim Abendessen sah Felix müde aus und sagte plötzlich:
„Greta und ich sind durch. Sie… ist immer noch wie damals im Kindergarten. Sie sucht das Glitzernde, nicht das Echte. Soll sie weitersuchen.“
Brigitte nickte nur. Der Schmerz ihres Sohnes war auch ihr Schmerz. Doch in ihrem Herzen war seltsamerweise… Erleichterung.