Auf Menschen wie dich wird nicht geheiratet

Lena saß wie vom Donner gerührt und konnte ihren Blick nicht von Markus abwenden. Seine Worte hallten in ihrem Kopf nach wie ein Hammer, der alles zerschlug, woran sie geglaubt hatte.

„Versteh doch, Lena“, sagte er ruhig, fast gleichgültig, während er das Kissen zurechtrückte. „Auf Frauen wie dich heiratet man nicht. Es gibt Frauen zum Lieben, für lockere Treffen, fürs Vergnügen. Und dann gibt es die, die sich für die Ehe aufsparen. Du gehörst leider nicht dazu.“

„Was habe ich dir nicht gegeben, Markus?“, fragte Lena mit bebender Stimme. „Ich koche, halte mich fit, die Wohnung ist picobello, im Bett bist du zufrieden. Was ist das Problem?“

„Genau das ist das Problem!“, fuhr er sie an. „Du bist verdorben, kapierst du das nicht? Auf solche Frauen heiratet man nicht. Mit denen trifft man sich einfach, ohne Zukunft. Heiraten tut man eine reine, unberührte Frau, für die man der Erste ist. Eine, die ihrem Mann die Füße küsst und jeden Tropfen Wasser, den er ihr reicht, trinkt.“

Markus, zufrieden mit seiner Tirade, drehte sich zur Wand und schnarchte bald. Lena aber lag wach, spürte, wie sich alles in ihr vor Schmerz zusammenkrampfte. Noch vor einer Woche hatte sie mit ihren Freundinnen in einem gemütlichen Café am Mainufer in Frankfurt gesessen, von Zukunft, Hochzeit und Kindern geschwärmt. Und jetzt zerbrach ihre Welt.

Lena war zweiunddreißig. Keine naive Jungfrau, aber ihr Leben lief gut: eine erfolgreiche Zahnärztin, eine Eigentumswohnung in der Stadtmitte, ein Auto, gepflegtes Aussehen. Sie wusste, was sie wert war, und war überzeugt: Zeit, eine Familie zu gründen. Zumal der passende Mann schon da war.

Markus war einundvierzig. Groß, stattlich, mit grauen Schläfen, die ihm Charme verliehen. Nie verheiratet, lebte allein, aber nah bei seiner Mutter – ihre Wohnungen im selben Haus. Keine schlechten Angewohnheiten, eine gute Position in einer Versicherung. Ein Traummann.

Sie hatten sich in ihrer Praxis kennengelernt. Markus kam zur Kontrolle und ging verliebt. Noch am selben Abend wartete er vor der Klinik mit einem Strauß Georginen – mitten im Januar! Dann lud er sie ins Restaurant ein. So hatte alles angefangen.

Lena arbeitete viel – in der öffentlichen Praxis und einer Privatklinik –, kaum Zeit für Privatleben. Doch mit Markus fühlte sie sich begehrt. Aber nach zwei Jahren Beziehung kam kein Heiratsantrag. Freundinnen flüsterten: Wann kommt der Ring? Lena wurde unruhig. Auf ihren Rat hin sprach sie das Thema an. Und bekam den Schlag ins Gesicht: Sie war „verdorben“, nicht heiratswürdig.

Wer war er, dass er so über sie urteilte?

Am nächsten Tag traf sie sich mit ihren Freundinnen im Café. Sie zitterte vor Wut. „Stellt euch vor, er sagte, ich sei verdorben! Dass man auf Frauen wie mich nicht heiratet!“, platzte sie heraus.

„Was? Lena!“, rief Sophie, die Direkteste unter ihnen. „Du bist wunderschön, klug, hast alles – Wohnung, Auto, Karriere! Nicht jeder Kerl kann da mithalten!“

„Er will eine ‚Unberührte‘“, spottete Lena bitter. „Ich bin wohl Dritte Wahl. Und jetzt? Ich mag ihn: klug, gut situiert, im Bett läuft’s.“

„Mach Schluss, Lena“, sagte Marie, alleinerziehende geschiedene Mutter. „Er manipuliert dich, und du bist am Ende kaputt.“

„Kommt lieber zu uns aufs Land“, schlug Sophie vor. „Sergej und ich feiern zwölf Jahre. Bring deinen Markus mit, zeig ihm, was eine echte Familie ist.“

Lena nickte. Markus, der selten mit ihr unter Leute ging, willigte überraschend ein. Er übernahm das Steuer, und Lena freute sich auf den Ausflug.

Auf Sophies Grundstück war es warm und gemütlich. Kinder tollten über die Wiese – Sophies zwei und ein paar Neffen. Der quirlige Hund Balu flitzte zwischen den Gästen herum. Auf dem Grill brutzelten Würstchen, der Duft von Kräutern und Rauch lag in der Luft.

Das Fest zog sich bis zum Abend hin. Die Älteren gingen ins Haus, die Kinder beruhigten sich. Am Tisch blieben Sophie und Sergej, die Freundinnen und Markus. Bei Tee und Apfelkuchen sprachen sie über das Leben. Irgendwann kam Markus auf seine Theorie zurück.

„Sophie, sag mal“, begann er schmierig, „du findest, Lena sollte„Aber glaubst du nicht, dass sie genau deshalb noch single ist? Ihr seid seit zwölf Jahren verheiratet – sie hat keine Chance mehr.“

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